Die Thematik des Weiblichen
Dr. Phil. Brigitte Quack | Kunsthistorikerin | freie Journalistin und Autorin - Saarbrücken | Deutschland
Judith Sturm malt überwiegend großformatige Gemälde in Rosa-, Rot- und Schwarz, die an die Pin-up’s der Fünfziger Jahre erinnern. Eine Frau in wechselnden Posen, stets vom Rahmen überschnitten, lenkt den Blick nicht nur des männlichen Auges auf sich. Teilweise von schwarzen, mit rosaroten Pünktchen versehenen knappen Kleidungsstücken bedeckt, lässt sie ganz klar die weiblichen Formen erkennen. Aber auch ihre Haut. Und die ist entgegen der sonst üblichen Darstellungsweise nicht idealisiert. Sie weist leichte Irritationen auf, Flecken und Fleckchen. Diese Haut ist dünn, die Frau dünnhäutig, was in diesem Zusammenhang als Verweis auf ihre Verletzlichkeit verstanden werden kann. Diese Haut wirkt sehr lebendig, weil das Leben an ihr abzulesen ist. Doch das ist ganz subtil und feinsinnig in der Fläche des Bildes umgesetzt, fällt nicht direkt ins Auge. Denn auf den ersten Blick dominiert dieser aufreizende Charakter, der in sich die Anspielung auf typisch weibliches Verhalten birgt. Sich schön machen, sich in Pose werfen, das sind die Verhaltensmuster, zu denen Mädchen von klein auf vielfach noch immer angehalten werden. Gerade dies nimmt aber die Absolventin der Saarbrücker Kunsthochschule HBK hier mit leichtem Augenzwinkern aufs Korn. Hintergründig, wie sich wohl versteht, und mit liebevoller Ironie.
Schon in jungen Jahren fertigte die Förderpreisträgerin der Landeshauptstadt Porträts, versuchte sich in den unterschiedlichsten Techniken künstlerischer Darstellung und malte Kopien bekannter Maler, von denen sie nach eigenen Angaben „sehr viel gelernt hat“. Mit 17 hatte sie ihre erste Einzelausstellung, der im Laufe der Jahre zahlreiche nachfolgten. Über Jahre malte Judith Sturm abstrakte Bilder, diffuse Bildwelten mit gegenständlichen Anklängen und fertigte die unterschiedlichsten Objekte, bevor der Mensch, im Besonderen die Frau sich wieder in ihren Bildern breit machte. Erst waren es die weiblichen Kultgegenstände wie Minirock und Handtasche, welche Judith Sturm in Szene setzte. Symbolisch wiesen sie bereits auf weibliche Erotik und typisches Rollenverhalten hin. Doch weitere Symbole eroberten sich ihre Bildwelt, rote Nähte tauchten auf, die auf Begrenzung und Verletzlichkeit hinwiesen; Schmetterlinge standen für Wandlungsfähigkeit, Früchte für Reife und Lust. Die Frau selbst war in jenen Bildern nur selten zu sehen, sondern in Form ihrer Kultgegenstände präsent.
Erst in den neueren Werken gilt ihr der Blick direkt. Aber auch die Technik hat sich geändert. Denn hier hat die Künstlerin ein ganz aufwändiges Verfahren angewandt, das es ihr ermöglicht, die Haut so differenziert darzustellen. Sie streut Salz auf die mehrmals grundierte Leinwand, lässt es trocknen, kratzt es ab und wäscht es aus, bevor der eigentliche Malprozess einsetzt. Hierbei setzt sie auf Kontraste, bringt dunkles kompaktes Schwarz neben Rosa und Rot in den unterschiedlichen Tönen zur Anschauung. Muster und Grund bilden auf Grund farblicher Korrespondenzen und gleicher technischer Behandlung eine Einheit. Eine Einheit voller Spannung, welche diese Werke interessant und absolut sehenswert macht.
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